Zahnbehandlung bei Pferden – FAQ

Brauchen Pferde eine Zahnbehandlung?

Wie Wissenschaftler entdeckt haben, fanden die ersten Zahnbehandlungen schon vor mehr als 3000 Jahren bei Steppenvölkern in Asien statt. Früher war das Pferd in erster Linie ein wichtiges Nutztier für den Menschen. Damit es von ihm verlangte Arbeit verrichten konnte, wurde es zusätzlich mit Kraftfutter versorgt. Hierzu wurde in der Regel Hafer verwendet. Dieses wertvolle Getreide, welches auch dem Menschen als Nahrungsmittel diente, musste möglichst effizient eingesetzt werden. Die Futterverwertung beginnt beim Pferd bereits im Maul, wo das Futter zwischen den Mahlzähnen aufgeschlossen wird. Das Kauen ist, wie beim Menschen, die erste Station der Verdauung. Daher muss das Pferdegebiss optimal funktionieren. Zahnbeschwerden können sich, neben dem Schmerzen, negativ auf denVerdauungsapparat und daher auf den Gesamtorganismus eines Pferdes auswirken. Deswegen es ist unabdingbar, eine regelmäßige Zahnkontrolle durchführen zu lassen.

Wie funktioniert der Kauvorgang beim Pferd?

Pferde haben eine mehr als 55 Millionen Jahre lange Evolutionsgeschichte hinter sich. In dieser Zeit haben sich die Zähne immer wieder an die neuen Umgebungsbedingungen angepasst. Die Pferdezähne sind für ein raues, silikatreiches Futter (z.B. Steppengras) konzipiert. Der Kauvorgang funktioniert in den folgenden Schritten:

  • Das Gras wird mit den Schneidezähnen abgeschnitten.
  • Das Futter wird mit den Backenzähnen zerkleinert, und wie bei einer Steinmühle bis zum letzten Backenzahn bewegt.

Dies benötigt eine gleichmäßige Verteilung der Kaukraft auf die Kaueinheiten des Kopfes: Schneidezähne, Backenzähne und Kiefergelenk. Die Abnutzung der Zähne durch das harte Futter wird dabei durch ein genau abgestimmtes System des Nachschiebens der Zähne ausgeglichen. Wenn durch eine Änderung der Ernährung eine Veränderung des Zahnabriebs auftritt, wird dieses System gestört.

 

Wie machen Die Pferde das in der Natur? Haben Sie weniger Zahnproblemen als unsre Pferde?

Heutzutage leben Pferde in anderen Bedingungen als ihre Vorfahren. Seit der Zähmung durch den Menschen vor mehr als 3000 Jahren erfolgte in kürzester Zeit eine sehr massive Umstellung des Futters. Evolutionäre Anpassungen laufen jedoch in deutlich längeren Zeitabschnitten ab. Das wilde Pferd frisst zu 80-90% Gras und zu 10-20% Laub. Aufgrund dieser Eigenschaft konnte es im Vergleich zu anderen Spezies sehr harte Zeiten widerstehen und überleben. Es sind zwei unterschiedliche Fressverhalten zu beobachten, wenn man die Jahreszeiten in futterreich und futterarm unterteilt:

  • In der futterreichen Saison fressen die Pferde die oben beschriebene Futterverteilung: Gras und Laub. Mit den Schneidezähnen wird die Nahrung vom Boden oder Bäumen abgeschnitten und mit den Backenzähnengemahlen. Dieses Verhalten ist sowohl bei Wildpferden als auch bei unseren domestizierten Pferden vergleichbar (auch wenn das Gras bei uns in Deutschland und in den meisten europäischen Ländern eher weich und kein Steppengras ist).
  • In der futterarmen Saison müssen sich wildlebende Pferde auf der Futtersuche viel bewegen. Dabei verbrauchen sie ihre in der futterreichen Saison zugelegten Reserven. Sie gehen zumeist im Wurzelbereich der Pflanzen auf Futtersuche und schneiden das Gras mit den Schneidezähnen direkt im Sand oder der Erde ab. Unsere domestizierten Pferde hingegen werden in dieser Zeit mit Heu/-Lage und oft auch mit Kraftfutter gefüttert. Dadurch werden die Schneidezähne, welche bei Pferden kontinuierlich nachgeschoben werden, nicht abgenutzt. Es wird ausschließlich die Backenzahnabnutzung begünstigt. Zwischen Ober- und Unterkieferbackenzahnreihen entsteht so eine immer größer werdende Lücke und die Backenzahnokklusion verringert sich. Davon betroffene Pferde müssen dann einen erhöhten Druck auf die Schneidezähne ausüben, um das Futter mit den Backenzähnen mahlen zu können. Genau hier entsteht das Problem: Bei jedem Kauvorgang müssen nicht nur die Schneidezähne, sondern auch das Kiefergelenk einen Teil der Kaukraft aufnehmen. Dies führt zu Schneidezahn- und Kiefergelenksschmerzen, sowie zu Verdauungsstörungen wegen reduzierter Futterzerkleinerung. Oft sind Rittigkeitsprobleme eine Folge davon.

Gibt es Zahnärzte für Pferde?

In der Veterinärmedizin gibt es keine spezielle zahnmedizinische Ausbildung, wie man es von der Humanmedizin her kennt. Daher die Bezeichnung Pferdezahnarzt ist nicht zulässig. Dafür gibt es in Deutschland die Zusatzbezeichnung Tierzahnheilkunde von der Tierärztekammer, welche durch eine Zusatzprüfung erlangt werden kann. Darüber hinaus gibt es für die Pferdezahnbehandlung die geschützte Bezeichnung „Pferdedentalpraktiker nach IGFP“. Die IGFP (Internationale Gesellschaft zur Funktionsverbesserung der Pferdezähne e.V.) liegt die Prüfungsrichtlinen fest und nimmt die anspruchsvollen Prüfungen ab mit dem Ziel Qualitätsstandard in der Pferdezahnbehandlung zu etablieren.

Was wird bei einer Zahnbehandlung genau gemacht?

Die meisten Pferdebesitzer kennen das Problem, dass bei ihren Tieren nach einer Weile die Zähne scharf werden oder Hacken bekommen. Aber vieles in der Maulhöhle bleibt dem Laien verborgen. Ein Pferdezahnspezialist/-in untersucht das Gebissnach vielen Parametern: Schärfen, Wellen, Stufengebiss, Meißel-Zahn, Hacken, Unter-/Überbiss, Zahntaschen,Zahninstabilität, Karies, Schleimhautverletzungen und vieles mehr. Nach der Befunderhebung und Dokumentation wird ein Behandlungsplan erstellt. Nach diesem Plan erfolgt dann die Behandlung des Tieres. Meistens fängt der Behandler/-in mit den Backenzähnen an und endet mit der Schneidezahnanpassung.

Fragen Sie aber bitte direkt Ihrem Pferdedentalpraktiker/-in, sie werden Ihnen gerne Alles erklären und werden Ihnen den Unterschied vor und nach der Behandlung fühlen lassen.

Muss man ein Pferd für eine Zahnbehandlung immer sedieren?

Eine Zahnbehandlung ohne Sedierung ist prinzipiell möglich. Die meisten Zahnspezialisten haben und benutzen noch Ihre Handraspeln zur Zahnkorrektur. Der Einsatz von Handraspeln (ohne Sedierung) ist aber deutlich weniger geworden. Das hat verschiedene Gründe:

  • Der Behandler/-in ist in der Befundung und in der Behandlung limitiert. Es werden hauptsächlich die Schärfen und bis zu einem gewisses Grad auch Hacken und Wellen behandelt.
  • Der Charakter des Behandlers und des Pferdes spielt hier eine große Rolle. Nicht jedes Pferd lässt sich ohne Sedierung raspeln. Der Behandler muss besonders beruhigend auf das Pferd eingehen können.
  • Die Verletzungsgefahr für das Pferd, den Behandler und für den Besitzer ist ohne Sedierung deutlich größer.
  • Die Schneidezahnanpassung ist ohne Sedierung aus Tierschutzgründen nicht möglich.

Nimmt man mit der maschinellen Zahnbehandlung (zu) viel Zahnsubstanz weg?

Eigentlich nicht, im Gegenteil, alle Pferdezahnspezialistenzielen möglichst auf die Erhaltung der Zahnsubstanz. Wird die Behandlung sachkundig und regelmäßig ausgeführt, werden die Zähne gleichmäßig abgenutzt. Der Behandler/-in hat dannmit der Zeit meist nur die Aufgabe die Schärfen zu entfernen,die Integrität des Zahnapparates zu kontrollieren sowie die Schneidezahnfehlabnutzung anzupassen. Die Entfernung der Zahnsubstanz an der Kaufläche wird somit minimiert.

Wie oft soll man eine Zahnbehandlung durchführen?

Die Pferdezähne werden bei jungen Pferden mit 3-4mm/Jahr nachgeschoben. Dieser Vorgang reduziert sich mit zunehmendem Alter des Pferdes auf ca. 2-3mm/Jahr. Ein Kontrollabstand von ca. einem Jahr hat sich erfahrungsgemäßbewährt. Erfolgt diese regelmäßige Zahnbehandlung ohne Unterbrechung, kann das Behandlungsintervall mitzunehmendem Alter des Pferdes (älter als 20 Jahre) auf bis zu eineinhalb Jahre ausgedehnt werden.

Eine Besonderheit gilt für junge Pferde im Alter zwischen 2,5 und 4,5 Jahren. In diesem Altersabschnitt wechseln die Pferde 4 bis 8 Milchzähne im Halbjahreszyklus. Daher sollen die Pferde halbjährlich einem Pferdedentalpraktiker/-in vorgestellt werden. Der Zahnbehandler/-in kontrolliert, ob der Zahnwechsel gut verläuft. Falls Milchzahnkappen sich nicht selbstständig lösen, kann es dazu führen, dass die bleibenden Zähne schief herauswachsen. Ihr Pferdezahnspezialist/-in kann in diesem Fall rechtzeitig korrigierend eingreifen.

Dr. Abdelah Karfa

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